Junge ticken in vielen Fragen anders als Ältere. Wie genau, das versuchten Teilnehmende des ersten Thurgauer Wirtschaftstags zu ergründen. Denn die Jungen sind begehrt, als Konsumentinnen, aber auch als Arbeitskräfte und zum Erhalt der AHV. Für diese freilich malt der UBS-Chefökonom ohne Erhöhung des Rentenalters schwarz.
Sie waren nicht mehr zufrieden mit dem Wirtschaftsforum Thurgau (WFT), die IHK Industrie- und Handelskammer Thurgau und der Thurgauer Gewerbeverband (TGV). Das Programm des WFT, so ihre Kritik, gehe zu wenig auf Themen ein, die Unternehmerinnen und Gewerbler im Alltag beschäftigen.
Also haben im Frühling 2022 die IHK und der TGV ihre Sachen gepackt und sich gemeinsam mit der UBS und der Stadt Weinfelden vom WFT verabschiedet, um zusammen mit dem Verband Thurgauer Landwirtschaft eine Konkurrenzveranstaltung auf die Beine zu stellen: «Boom! Der Thurgauer Wirtschaftstag». Das WFT wird seit dem Ausstieg der UBS von der Thurgauer Kantonalbank gesponsert.
Am Donnerstag hat es nun im Thurgauerhof in Weinfelden erstmals «Boom» gemacht. Der Zuzug des Bauernverbands hat sich auch darin geäussert, dass an zwei Podien von den sechs Teilnehmenden gleich die Hälfte aus der Agrarbranche stammte. Quasi als Willkommensgeschenk.
Schnell muss es gehen
Thema der Tagung waren die Generationen. Stefanie Hafner, Jahrgang 1992 und damit Vertreterin der Generation Y, arbeitet für die Firma Neoviso, die Unternehmen über den Umgang mit der Generation Z berät. Deren Bedürfnisse dampft Hafner auf drei Schlagwörter ein: «instant, flexibel, klar.»
Will heissen, wie Hafner in ihrem Referat sagte: Wenn Junge etwas wollen, wollen sie es sofort, sei es bei Einkäufen oder bei Feedbacks auf Bewerbungen und im Job. Am Arbeitsplatz und in ihrer Karriereplanung wollen sie viel Flexibilität. Informationen und Kommunikation sollen klar und kurz sein. Wie es halt Videoschnipsel auf den Social-Media-Plattformen wie Instagram, Tiktok oder Youtube Shorts vormachen.
Bei der Flexibilität beispielsweise scheint es noch Potenzial zu geben. Hansjörg Walter, einst Thurgauer Nationalrat, Schweizer Bauernpräsident und zweifacher Bundesratskandidat, weiss aus seiner Erfahrung als Landwirt: «Ältere geben ihrem eigenen Nachwuchs oft zu wenig Flexibilität mit, wenn es um die Nachfolge auf dem Hof geht.»
Eine Erfahrung, die Landwirtin Rahel Osterwalder aus Aadorf erspart blieb. Sie übernahm den elterlichen Betrieb und stellte von Milchwirtschaft auf Eier mit Direktvermarktung um. Die Eltern liessen sie machen, gingen auf eine längere Reise. Zugute kam Osterwalder, wie sie sagt, dass der Rückzug aus der Milchwirtschaft bereits vorab eingeleitet worden war.
Arbeit in grosser Hitze, nein danke
Dass Flexibilität freilich auch Grenzen hat, zeigte Roland Martin auf, Verkaufschef der Weinfelder Kartonverpackungsherstellerin Model: «Arbeiten bei 50 Grad Hitze in der Papierfabrik – das wollen Junge nicht.» Gleichzeitig plagt Model ein Mangel an Fachkräften, von Elektrikern über Mechanikerinnen, Maschinenführern und IT-Spezialistinnen bis hin zu Papiertechnologen.
Laut Martin unternimmt Model viel, um an junge Talente heranzukommen und diese zu fördern, etwa mit einem Wettbewerb für Verpackungsdesign. Oder indem jungen Mitarbeitenden früh Verantwortung übertragen wird. Model sei gezwungen, Junge rekrutieren zu können, denn: «Am Standort Weinfelden gibt es in den nächsten zehn Jahren 200 Pensionierungen.»
Die Babyboomer gehen in Rente, gleichzeitig gibt es weniger Babys. Die demografische Entwicklung in der Schweiz besorgt auch UBS-Chefökonom Daniel Kalt. In den nächsten zehn Jahren würden gut 1,2 Millionen Erwerbstätige pensioniert, aber nur 1 Million Personen rutschten als neue Erwerbstätige nach. Und selbst die Zuwanderung könne diese Lücke nicht stopfen.
67 als flexibles Renten-Referenzalter
Kalt sieht die AHV in Gefahr. Zwar sei es gelungen, mittels der 2019 vom Stimmvolk angenommenen Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) das Loch zwischen Verpflichtungen und Guthaben der AHV, also deren nicht finanzierte Leistungsversprechen, von 1000 Milliarden Franken im Jahr 2014 auf nunmehr 722 Milliarden zu senken.
Mit Blick auf die Zukunft und die weiter steigende Lebenserwartung hält Kalt aber eine schrittweise Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre für unabdingbar. Wobei der Ökonom 67 als flexibel zu handhabendes Renten-Referenzalter sieht.
Der Generation X, jener zwischen Babyboomern und Y, entstammt Michèle Bongetta. Sie leitet die Rehakliniken Zihlschlacht und Dussnang und hält viel von ihrer Generation: «Wir haben viel gelernt. Denn wir sind analog aufgewachsen und dann hat die Digitalisierung begonnen.»
Maria Näf, Studentin der Wirtschaftsinformatik und Kundendienstleiterin, sekundiert: «Ältere Mitarbeitende kennen das Unternehmen und dessen Entwicklung.» Kann sie also von deren Erfahrung profitieren? «Ultra!»
Thurgauer Zeitung, Samstag 3. Juni 2023
Text: Thomas Griesser Kym
Bild: Marius Eckert