Der aus Radio und Fernsehen bekannte Guido Berger referierte am Herbstmeeting der TGshop-Fachgeschäfte.
Es sind nur zwei Buchstaben, die gemeinsam eine Abkürzung bilden. Diese verbreitet – je nach Befindlichkeit der Betroffenen – Hoffnung und Euphorie oder Skepsis und Angst. Die Rede ist von der künstlichen Intelligenz, kurz KI genannt. Mit der Herausforderung, sich dieser technologischen Errungenschaft zu stellen, wird auch der Detailhandel konfrontiert.
Die Zukunft ist nicht voraussagbar
Im Saal des Weinfelder Rathauses kann TGshop-Präsident Matthias Hotz am Dienstagabend Guido Berger begrüssen. Der landesweit bekannte Fachmann für KI ist engagiert worden, um die rund siebzig anwesenden Personen durch das Dickicht neuer, mitunter schwer verständlicher Begriffe zu lotsen und den Nebel im digitalen Kosmos zu lichten.
Der Referent spricht von «grösseren Entwicklungsschritten», die in den letzten zwei Jahren gemacht worden seien und weitreichende Konsequenzen hätten. Er gesteht ein, die Zukunft auf diesem Gebiet nicht voraussagen zu können. Sicher sei jedoch, «dass KI nicht wie ein Mensch agiert». Laut Berger wird Intelligenz unter anderem durch die Fähigkeiten definiert, Informationen zu erkennen und zu verarbeiten, Probleme zu lösen und Wissen zu speichern.
Der im Fachjargon «Machine Learning» genannte Prozess stellt laut Berger einen entscheidenden Fortschritt dar. Er führe dazu, dass die mit Daten gefütterten Maschinen lernen, bestimmte Muster zu erkennen. Je mehr Daten zugeführt würden, desto bessere Ergebnisse resultierten. Breiten Raum nimmt in Bergers Vortrag das Thema ChatGPT ein. Der im Jahr 2022 vorgestellte Chatbot eines US-amerikanischen Software-Unternehmens ist in der Lage, mit Nutzern über textbasierte Nachrichten und Bilder zu kommunizieren. Ein Chatbot ist ein technisches System, das den Dialog zwischen Menschen und einem anderen technischen System ermöglicht.
Sprachmodelle tendieren zu Halluzination
«ChatGPT hat wie eine Bombe eingeschlagen und eine gesellschaftliche Diskussion in Gang gesetzt», führt Berger aus. Was die weiteren Entwicklungsschritte anbelangt, gibt er sich zurückhaltend und verweist auf das Problem des kontinuierlich kleiner werdenden Datenarsenals. Und dann warnt der Experte: «Wir tappen in eine Falle, wenn wir einer Maschine menschliche Eigenschaften zuschreiben, nur weil sie fast so redet wie wir.»
Berger vergleicht Sprachmodelle mit einem Papagei, der plappert, aber überhaupt nicht versteht, was er sagt. Sprachmodelle tendierten zur Halluzination, weil ihnen die Fähigkeit des Verstehens fehle und sie Entscheidungen einzig aufgrund der wahrscheinlichsten Daten treffen würden.
Nachhaltigkeit von ChatGPT zu hinterfragen
«KI ist weitaus weniger intelligent, als manche Leute behaupten», erklärt Berger. Einerseits sei auf diesem Gebiet viel Potenzial vorhanden, anderseits werde aber in der Hoffnung auf grosse Profite auch zu viel versprochen. Auch die Nachhaltigkeit von ChatGPT sei zu hinterfragen. Als hilfreiche Anwendungsmöglichkeiten, auch im Detailhandel, erachtet Berger die Automatisierung routinemässiger Arbeiten und die Ableitung von Erkenntnissen aus hervorgebrachten Mustern. Was man von KI nicht erwarten könne, sei das Analysieren von Daten, betont Berger.
In der Fragerunde kommt auch das Thema Datenschutz zur Sprache. Berger räumt ein, dass derzeit oft unklar sei, was Anbieter mit den Daten für ChatGPT machen. Er prophezeit Juristen und Gerichten diesbezüglich noch viel Arbeit. Abschliessend warnt der Referent vor einer Art «Degenerierung», die sich dann einstelle, wenn KI mit Daten gefüttert werde, die ihrerseits bereits mittels KI generiert worden seien.
Thurgauer Zeitung vom 14. September 2024